In den letzten Jahren ist die Frage nach der Aufteilung der Lebensräume immer drängender geworden. Claudia Reich beschäftigt sich nicht im politischen Sinne damit, vielmehr erkundet sie die sozialen Bindungen, die Gemeinschaften ausmachen und unausweichlich sind. Ausweichen können wir Menschen ohne Weiteres nicht, denn wir sind „alle auf einem Planeten“, wie die Künstlerin es mit dem Bild der immer enger werdenden Welt ausdrückt. Sie spielt zugleich auf den familiären Mikrokosmos an, der ebenso erfordert, sich untereinander zu arrangieren.
Ihre menschlichen Figuren, deren Außenhaut aus hautfarbenen Nylonstrümpfen besteht, wirken unselbstständig. Oftmals sind sie als Torsi oder Urformen gestaltet. Zusammengeschnürt zeigen sie ihre starke innere und äußere Abhängigkeit. Könnten sie alleine existieren? Wie sind sie gewachsen? Hinzu kommt der Aspekt der Gewalt, der sich am deutlichsten in der Form des Boxsackes offenbart. Er trägt den Titel „Wir gehören zusammen“ und kann wiederum Gegenreaktionen auslösen. Neben der Macht und der Kraft von Zusammengehörigkeit interessiert sich die Künstlerin für die Gleichzeitigkeit der Generationen – den jungen und alten Menschen in uns.
Die Vielfältigkeit der Assoziationen macht diese und andere Werkgruppen der Künstlerin so spannend. Sie greifen von der eigenen biografischen Ebene über in biologische, psychologische und mythologische Bereiche. Mit dem Holzsteg verdeutlicht Reich ihre ständige Verwunderung, die aus der Beobachtung entsteht. Ihr sogenanntes „Selbstporträt“ führt vor die Wand, wo erst einmal Schluss ist. Allerdings stellt die weiße Wand auch Leere dar, aus der sich stets etwas Neues ergibt.
Unter diesen Gesichtspunkten liegt es nahe, dass Claudia Reich von der Unsichtbarkeit der Dinge fasziniert ist. Transparenz des Materials und Spuren von Gegenständen tauchen immer wieder auf. Wo versteckt sich dabei die Seele? Und kann man Seele hinzufügen? Diese zum Teil ironisch gestellten Fragen zielen auf die Existenz des Menschen. Sie kulminieren in der Darstellung zu Gilgamesch, der uralten Legende über das menschliche Streben nach Unsterblichkeit und eine Sintflut aus göttlichem Zorn.
Anne Rodler
Vita
1964 Gelsenkirchen
1989 Diplom Textildesign an der FH Niederrhein, Krefeld
Tätigkeit als Designerin
2002 Examen Autonome beeldende kunst, Hogeschool voor de Kunsten Utrecht
seit 2004 Wohnen und Arbeiten als freischaffende Künstlerin in Krefeld
Ausstellungen (Auswahl):
Gemeinschaftsausstellungen
2024 Internationales Kunstsymposium, PROJEKTRAUM KUNST, Nettetal
2024 Zeitgleich-Zeitzeichen-DIE MAPPE, Städtische Galerie im Park Viersen
2023-24 Betriebsgelände,Pförtnerloge – Prozessorientierte Kunst (mit Brigitta Heidtmann) Krefeld
2023 Produktive Räume – Kunst und Design aus Krefeld Kunstmuseen Krefeld Haus Lange Haus Esters
2023 Gesponnen-Verwoben, Städtische Galerie Duisburg
2022 Neue Artefakte am Niedergermanischen Limes, Museum Burg Linn Krefeld
2021 Neue Artefakte am Niedergermanischen Limes, Grafschafter Museum Moers
2020 Projekt NASSZELLE, mit Frank Bernemann, Altes Stadtbad Krefeld
2019 Zuhause-Jüdisch.Heute.Hier, Synagoge Krefeld
Einzelausstellungen:
2022 Installation Pausenhof Krefeld
2022 A NEW ERA OF GLOW, GKK Krefeld
2022 www.SeelenPflegeSet.de, Flagshipstore Kleve
2021 www.SeelenPfegeSet.de, Flagshipstore Krefeld
2021 Die Zeit stand still, Galerie MAMA Krefeld
2018 Ich wundere mich-eigentlich über alles, GKK Krefeld
Seit 2012 Projekte im Bereich kulturelle Bildung